Rowan Trevelyan
17.10.2014
Momper
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Rowan versuchte, seine Aufregung zu verbergen, als er an diesem windigen Morgen mit Onkel Aidan in den Übungshof trat. Ohne hinsehen zu müssen wusste er, dass Vaters bewertender Blick auf ihm ruhte.
Ser Aidan Trevelyan diente seinem älteren Bruder Fionan als Waffenmeister und es war seine Aufgabe, den Söhnen des Hauses den Umgang mit Waffen beizubringen. Er hatte seinem Bruder bereits gut in der Ausbildung von Ciaran gedient. Und nun war Rowan ebenfalls alt genug.
Erst als er am Waffenständer angelangt war hielt er an und richtete den Blick auf den blonden Knaben, dem der Kinderspeck noch nicht von den Wangen gewichen war.
"Du siehst hier eine Auswahl von den üblichen Waffen eines Ritters."
Rowan richtete den Blick auf die Waffen. Er sah ein Reitbeil, zwei Wurfäxte, einen Zweihänder, eine spitz zulaufende Ochsenzunge, einen Streitkolben, einen Dreschflegel, drei verschieden große Morgensterne, zwei zueinander passende Langdolche, einen Speer mit einer Stange aus gebeiztem Holz und schließlich ein kurzes und ein langes Schwert. Angelehnt an den Ständer waren ein Rundschild, ein Wappenschild und ein Turmschild.
"Wähle eine.", fordere der Ritter ihn auf.
Rowan griff schnell entschlossen nach dem kurzen Schwert.
"Nur eine?", fragte der Junge.
"Wozu brauchst du denn eine zweite?"
"Ich habe zwei Hände.", antwortete Rowan und griff nach einem der Langdolche. Aidan legte seine Hand auf die Hand, die sich um den Dolch geschlossen hatte.
"Heute wird eine Waffe genügen."
Rowan nahm das nickend hin und schaute den Ritter abwartend an, während der sich ihm gegenüber in Kampfposition begab.
"Was, denkst du, ist das wichtigste, wenn man einen Kampf beginnt?"
Rowan überlegte. Es war wichtig, dass er das richtige sagte. Bestimmt konnte Vater alles ganz genau hören.
"Sich einen Gegner zu suchen, der nicht doppelt so groß ist, wie man selbst?", mutmaßte Rowan. Aidan schmunzelte.
"Am wichtigsten ist, dass du genau weißt, wo deine Füße sind."

Rowan spürte, wie seine Zehenspitzen sich wie ein steinernes Bollwerk in den weichen Boden gruben, als er sein Gewicht auf das rechte Bein verlagerte. Er trug nur seine Wattierung. Das machte ihn dünner aber auch weniger robust. Der Wappenschild deckte nur den Oberkörper ab, also musste er auf seine Beine achten. Am liebsten wäre es ihm gewesen, vom Pferd aus zu kämpfen. Doch weder hatte er die Zeit, aufzusteigen, noch wäre es sinnvoll gewesen, hier beritten zu kämpfen. Das Pferd hätte ohnehin nicht genügend Laufstrecke auf der Waldlichtung gefunden. Das Langschwert hielt er waagerecht zu seiner Korperlinie über dem Kopf.
Die Waffe, die Blaine führte, nannte man passenderweise Bastardschwert. Jemand, der so groß wie der Söldner war, konnte es durchaus einhändig führen, auch wenn es schwieriger zu koordinieren war. Blaine hatte beide Hände am Heft.
Mit einem Geräusch, das wie fernes Donnergrollen klang, drosch die Waffe nach unten und traf den Schild. Rowan spürte, wie der Aufprall bis hoch in den Nacken vibrierte, während er eben so weit zurück taumelte, dass er einen eigenen Angriff beginnen konnte. Zwei kräftige Schritte, dann drang er auf den Söldner ein, ließ der Waffe des Mannes keinen Spielraum, während Rowan eine Lücke öffnete, um eine ungeschützte Stelle zu finden, damit die eigene Klinge das Blut von Blaine kosten konnte.
Milo schrie auf. Dann gleichzeitig Wykka und Cara.
Rowan gestattete sich einen Blick, um herauszufinden, was geschehen war. Er sah, wie Wykka ihren Ehemann rückwärts über den Boden zog, während er sich den Unterleib hielt. Milos Finger und das steife Leinenhemd waren rot. Cara stand nun schützend vor den beiden, während sie von Blaines drei Begleitern bedrängt wurde. Das hier musste schnell beendet werden.
Gewiss hatte Blaine Treffer geladet, auch wenn Rowan sich an kaum etwas erinnerte hinterher. Er nahm nur kreischenden Stahl wahr und den Geruch von Schweiß und schließlich die schillernde Wolke aus Blut, die seiner Klinge folgte, als er Blaine das linke Bein am Oberschenkel abtrennte. Er wartete nicht, bis der Söldner zu Boden gegangen war, sondern drehte sich zu den anderen um.
Wykka kniete über der liegenden Gestalt von Milo und presste etwas auf seinen Bauch. Cara verschwand gerade zwischen Bäumen. Nur noch zwei von Blaines Begleitern waren zu sehen.
Rowan rannte. Sie bemerkten ihn und machten sich bereit, als er durch den Qualm des sterbenden Feuers sprang.
Bei jeder Parade und jedem Stoß spürte er die wachsende Müdigkeit in seinen Armen und die Kraft, die Blaine ihn bereits gekostet hatte. Und sie landeten Treffer. Zuerst an geschützten Stellen. Das würden zwiebelnde Schwellungen werden, wenn er das überlebte.
Und gerade als die beiden Söldner ihn in Bedrängnis gebracht hatten, entsprang Inculta dem Qualm und deckte seine Seite.

"Ich hatte mich schon gefragt, wann Carnabys Waffenmeister in deine Erzählung zurück finden würde.", nahm Fionan das Gespräch wieder auf. "Schließlich war er eben noch hier im Raum."
Rowan nickte. "Aber war es nicht dennoch ein wenig spannend, Vater?"
Fionan zog es vor, nicht auf diese Frage zu antworten. "Was ist also bei Baron Gorland geschehen?"
"Nun, zunächst einmal besiegten wir gemeinsam die Söldner Caylawns und nahmen sie gefangen. Dann erreichten uns auch Katharina und der Maester des Barons, und sie erzählten uns von ihrer Abmachung."
"Welche Abmachung?" Fionan runzelte die Stirn.
"Baron Gorland war schlicht unentschieden, was den Konflikt zwischen Caylawn und Carnaby anging. So hatte er beschlossen, Lady Caras Bruder aus seiner Burg zu geleiten, als er von der Festnahme von Baron Edmond gehört hatte. Damit hatte er ihn weder beschützt noch verraten. Aber er lies uns durch seinen Maester mitteilen, dass Lord Elias sich in einem kleinen Dorf ein Stück nordwestlich der Burg versteckte."
"Und dort schließlich fandet ihr ihn und konntet das Geschäft mit Gorland aushandeln.", schlussfolgerte Fionan und hob das Sendschreiben hoch, das Rowan ihm mitgebracht hatte.
"So ist es.", antwortete Rowan und nippte wieder am Wein, "Auch wenn es erneut Hürden gab. Denn es waren bereits Soldaten Caylawns in besagtem Dorf. Doch Lord Elias stand unter dem Schutz des örtlichen Peraine-Tempels, was uns genügend Zeit erkaufte, um ihn zu befreien."
"Ich nehme an, hier handelt es sich erneut um eine heldenhafte Geschichte."
"In der Tat, Vater!", sagte Rowan belustigt, "Doch um Euch die lange Version zu ersparen, sage ich: Wir taten es auf die Trevelyan-Art. Wir benutzten Lug und Trug."
Fionan nickte knapp, um zu zeigen, dass er sich nicht provozieren lassen würde. Rowan nahm sich einen Moment und schwieg. Und schließlich war es erneut der ältere Trevelyan, der die Stille unterbrach.
"Ist deine Geschichte nun beendet, oder gibt es noch eine überraschende Wendung? Was tatet ihr, als ihr wieder bei Gorland ankamt?"
"Wir baten um eine Nacht der Ruhe, ein Bad, saubere Kleidung, solche Dinge.", sagte Rowan im Plauderton, und dann, als würde es ihm spontan einfallen, fügte er hinzu: "Oh, und ich besann mich auf eine Kriegslist und verschaffte uns ein Auge im Heer von Caylawn."
Fionan hob interessiert die Brauen.

Die Söldnerin humpelte in den Raum. Nun, da sie keine Rüstung mehr trug, sah sie dünn aus. Dass einer von Blaines Begleitern eine Frau war, hatte Rowan erst bemerkt, als der Kampf geendet hatte. Nun war ihre weibliche Körperform deutlicher zu sehen. Nicht zuletzt, weil ihr graues Leinenhemd an einer Seite aufgerissen war. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Wunde in ihrer Seite zu behandeln, die Inculta ihr geschlagen hatte. Sie würde ohnehin bald hingerichtet.
Als sie die sechs Gestalten am Tisch sah, hielt sie an, doch dann wurde sie von einer der Wachen weiter in Raum gestoßen.
"Du musst hungrig sein.", sagte Rowan, "Setz dich." Er deutete auf einen Stuhl und blickte Gorland dabei fragend an. Der alte Mann gab sein Einverständnis.
"Was wird das hier?", fragte die Söldnerin misstrauisch.
"Wir möchten mit dir reden.", antwortete Gorland, "Setz dich und nimm dir etwas zu essen."
Sie nahm Platz, rührte aber nichts an.
"Hast du einen Namen?", fragte Rowan, als er bemerkte, dass Cara, Inculta und Katharina offenbar nicht vorhatten, etwas zu sagen.
"Wenn ihr mich töten wollt, dann bringt es hinter euch.", knurrte sie.
Eine Spur härter also.
"Du weißt, welchen Verbrechens du schuldig bist? Du hast zwei Adelige angegriffen. Darauf steht der Tod.", sagte Rowan und benutzte die kalte, schneidige Stimme, die er so oft bei seinem Vater beobachte hatte. Die Frau presste die Lippen zusammen. "Der Bursche, den wir mit Dir zusammen festgenommen haben,", fuhr er dann sanfter und ein wenig versöhnlicher fort, "ist er dein Mann?"
Sie anwtortete immer noch nicht.
Noch eine Spur härter also.
"Wir haben beschlossen, nur einen von Euch hinzurichten. Schließlich ist ja niemandem von uns etwas passiert.", sagte Rowan und versuchte, dabei immernoch freundlich zu klingen. "Du darfst entscheiden, wer von euch beiden gehen darf und wer stirbt."
Sie kniff die Augen zusammen. Jetzt hatte er sie. "Dann lasst ihn gehen.", presste sie hervor.
"Also ist er dein Mann.", schloss Rowan. "Wie ist dein Name? Und wie ist seiner?"
Ihr Blick war voller Abscheu. "Mein Name ist Luana. Er heißt Jarin."
"Also gut, Luana, wir möchten dir ein Angebot machen. Keiner von euch beiden wird hingerichtet. Ich habe gelogen. Folgendes wird passieren: Deine Wunden werden behandelt werden, ebenso wie seine. Du wirst sogar deine Ausrüstung zurückbekommen, Rüstung, Waffen und Wertgegenstände."
Sie blickte ihn zuerst überrascht und dann misstrauisch an. Er fuhr fort: "Du wirst zu Herzog Caylawn zurückkehren als Einzige, die den gescheiterten Angriff auf uns überlebt hat. Du wirst das treueste Mitglied seiner Truppen werden. Du wirst tun, was man dir aufträgt. Und du wirst regelmäßig Briefe schreiben und Baron Gorland über jeden Schritt informieren, den Caylawn tut."
Ihr Ausdruck wechselte von Misstrauen zu offensichtlichem Hass.
"Wenn innerhalb eines Monats keine Nachricht von dir kommt, wird Jarin sterben. Und es wird deine Schuld sein. Wenn jedoch dieser Konflikt beendet ist und du tust, was wir dir aufgetragen haben, dann wird dein Jarin frei kommen und ihr werdet euch wiedersehen. Dann könnt ihr Jagd auf mich machen, wenn ihr wollt."
Die Stille im Raum wurde beinahe körperlich fassbar. Rowan spürte, wie selbst Cara und Inculta ihm zweifelnde Blicke zuwarfen. Schließlich erhob Luana sich.
"Dann habe ich wohl keine Wahl.", knurrte sie und humpelte zur Tür. Nur Gorlands Maester regte sich, um die Modalitäten ihrer Freilassung zu regeln.
"Jetzt glaube ich Euch, dass Ihr ein Trevelyan seid.", sagte Gorland, als die Söldnerin und der Maester den Raum verlassen hatten.
"Sagt meinem Vater nichts davon.", antwortete Rowan schmunzelnd, "Sonst macht er noch Pläne mit mir."
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